Die Reise
Am 28 Oktober 2005 startete ich zu einer Reise, die mich in mehr als zwei Jahren durch zwei Kontinente und 27 Länder führen sollte. Insgesamt habe ich während dieser Zeit mehr als 80.000 Kilometer zurückgelegt.
Als Reisefahrzeug diente mir eine Honda Transalp 600, die den Anforderungen angepasst wurde. Sie wurde mit einem großen 40Liter-Tank sowie zwei Aluminiumkoffern mit Tragesystem ausgerüstet. Zudem wurden die Federelemente der höheren Nutzlast angepasst und andere diverse Anbauten am Motorrad angebracht.
Zu Beginn der Reise stand der Traum von Afrika. Über den Landweg ging es von Deutschland nach Italien, von wo ich mit einer Fähre direkt in die Türkei übersetzte um über Syrien und Jordanien nach Ägypten zu gelangen.
Meine Freundin Midori Hirata besuchte mich hier für einen Monat um mit mir das faszinierende und chaotische Kairo und die Wüstenstraßen auf dem Weg ins südlich gelegene Assuan zu erleben.
Tiefe Fahrspuren im weichen und sandigen Untergrund begleiteten mich im Sudan auf einer Wüstenstrecke entlang des Nils bis nach Khartum. Der Sudan, das flächenmäßig größte Land Afrikas, vermittelte mir erstmals das Gefühl, endlich in Afrika angekommen zu sein. Mit dem Grenzübertritt nach Äthiopien spürte ich sofort eine Veränderung. Zum einen veränderte sich die Geografie - den im äthiopischen Hochland sind 80 Prozent der Berge Afrikas zu finden - zum anderen änderte sich die Religion, da in Äthiopien größtenteils äthiopisch-orthodoxe Christe leben. Die Islamische Welt lag somit vorerst hinter mir.
Neben den Bergen beeindruckte mich Äthiopien vor allem durch den kulturellen Reichtum zahlreicher ethnischer Gruppierungen, die im ganzen Land zu finden sind.Nach Durchquerung der großen Steppen Kenias und Tansanias erreichte ich die Grenze zu Mosambik. Aufgrund eines Motorradunfalls musste ich jedoch zurück nach Dares Salam, der Hauptstadt Tansanias, um mein Motorrad wieder aufzubauen.
Gabel und Rahmen mussten gerichtet werden. Da meine Schulter durch den Unfall noch nicht ganz in Ordnung war, wählte ich danach die Strecke über Malawi, um auf Teerstraßen nach Mosambik zu gelangen, von wo aus ich nach Zimbabwe einreisen konnte. Da hier jedoch durch die anhaltende Währungsinflation große Versorgungsengpässe herrschten und kaum Benzin aufzutreiben war, war ich gezwungen, dieses Land schon nach zwei Wochen wieder zu verlassen.
In den Makgadikgadi Salzpfannen (Botswana) sah ich dann zum ersten Mal in meinem Leben das Nichts. Eine unbeschreibliche Weite mit einem endlosen Horizont erzeugten beim Motorradfahren auf dem gipsartigen Untergrund Hochgefühle. Als ich Mitte August 2006 dann nach Namibia einreiste, erlebte ich in diesem Wüstenland anfangs eisige Temperaturen und war erstaunt, an wie vielen Orten in dieser ehemals deutschen Kolonie immer noch Deutsch gesprochen wird. Zu Septemberbeginn war es dann jedoch bereits sommerlich warm. Ich besuchte den Norden Namibias, bevor es im Süden weiter nach Südafrika ging. Von Durban an der Ostküste Südafrikas wurde mein Motorrad schließlich per Luftfracht nach Indien geflogen.
Am 22. Oktober 2006 erreichte ich per Flugzeug Indien. Meine Freundin Midori kam mich hier ein zweites Mal während meiner Reise besuchen. Gemeinsam fuhren wir durch die Halbwüste Rajastans bis an die Küsten Gunjurats, bevor es dann wieder nach Norden bis an die Ausläufer des Himalajas ging. In Rajastan, der am dichtest besiedelten Wüste der Welt, erreichen wir Pushkar, wo gerade ein riesiger alljährlicher Kamelmarkt stattfand, der als der größte der Welt gilt. Unterwegs sehen wir alte Wüsten-Städte und fuhren schließlich nach Allahabad, wo im Januar 2007 die Kumph Mela stattfand. Das Fest ist Treffpunkt für Sadhus, Philosophen, Asketen, Bettler und Millionen von Hindus, die sich hier in den heiligen Wassern der Zusammenflüsse von Jumuna und Ganges rein waschen wollen. Jeder Wimpernschlag gab uns täglich das Gefühl, ein anderes Indien mit all unsern Sinnen aufzunehmen. In jeglicher Hinsicht, denn auf den meisten National Highways Indiens ist der Verkehr angespannt, rücksichtslos und mit einem Egoismus befeuert, der sich nur schwer in Worte fassen lässt. Und doch lernten wir das Land zu lieben, das wir nie verstehen werden.
Alleine fuhr ich über löchrige Teerstrassen, die immer wieder den endlos vielen Wasserstrassen weichen mussten, weiter in das südliche Bangladesch, bevor ich über den Norden des Landes und über Indien nach Nepal einreisen konnte. Aber Nepal steckte gerade in einer Krise. Die Macht der einstigen Monarchie bröckelte schon seit langem, und die Maoisten gewannen in Nepal schon seit einiger Zeit immer mehr an politischem Einfluss. Im ganzen Land kam es ständig zu Demonstrationen und Streiks. Benzin wurde zur Mangelware.
Von März bis Juli 2007 bereiste ich dann die Himalaja-Region bis zum Karakorum und an die Grenzen des Hindukusch Gebirges. Von Nepal über Ladakh (Nordindien) bis nach Nordpakistan, weg von den Menschenmassen Indiens und Bangladeschs, vorbei an gigantischen Landschaften über holprige Strassen und Pisten. die auf die höchsten Pässe der Welt klettern. In Islamabad erhielt ich meine Visa für die folgenden Länder und organisierte eine Einreise per Motorrad nach China, während die politische Situation in Pakistans Hauptstadt aus den Fugen geriet.
Die Rote Moschee in Islamabad wurde von Regierungstruppen gestürmt, wobei es viele Tote gab. Im Anschluss kam es zu Selbstmordanschlägen, die sich gegen die Regierung Musharrafs richteten. Auf Teilen des Karakorum-Highways erhielt ich Begleitschutz der Polizei, die - wie sie sagte - nicht mehr für meine Sicherheit garantieren konnte, wenn ich weiterhin alleine unterwegs gewesen wäre.
Von Nordpakistan konnte ich Ende Juli 2007 über den Kunjurabpass nach China einreisen, von wo ich dann über Kaschgar - einer riesigen Handelsmetropole und ein einstiger Knotenpunkt der Seidenstraße - Zentralasien anpeilte. Die letzte große Etappe meiner Reise. Ich erreichte Kirgistan, ein Land, in dem es mehr Pferde als Menschen geben soll. Über den im Durchschnitt auf knapp 4000 Metern Höhe liegenden Pamirhighway, entlang der Grenze zwischen Tajikistan und Afghanistan, konnte ich das Pamirgebirge durchqueren, den letzten der großen Gebirgszüge meiner Reise. Danach ging es durch die flachen Semiwüsten Usbekistans, vorbei an den Seidenstraßen-Städten Samarkand, Bukhara und Kiwa. Die Fahrt durch Turkmenistan führte mich über ein von der Sonne verformtes Teerband, quer durch die Karakum-Wüste.
Während mir das von der Außenwelt abgeschottete Turkmenistan nur fünf Tage Aufenthalt gewährte, wurde ich im Iran von einer offenen und herzlichen Gastfreundschaft empfangen. Ich fuhr viele tausend Kilometer in diesem riesigen Land, verlängerte mein Visum, und blieb länger als geplant. Doch die Kälte nahm mehr und mehr zu. Es war Mitte November und somit höchste Zeit, um nach Europa zu fahren. Im Osten der Türkei hatte es bereits geschneit.
Dann ging es schnell: Von Istanbul über Griechenland, mit einer Fähre nach Venedig, und von dort über die Alpen zurück nach Deutschland. Am 24 November 2007, nach über zwei Jahren auf den Straßen von 27 Ländern, hatte sich der Kreis geschlossen. Die Reise war zu Ende und ich war wieder an den Punkt angelangt, an dem ich gestartet war.
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